Iranisches Charakterauto

Zweimal war ich im Iran (auch Persien) und habe dort bei einer Gastfamilie mit Wohnsitz in Teheran gelebt. Iraner sind ein sehr gastfreundschaftliches, stolzes und gebildetes Volk, die Deutschen aus historischen Gründen sehr wohlgesonnen sind. Das hat mich angesichts einiger Vorurteile hierzulande doch überrascht. Iraner legen außerdem besonderen Wert auf Statussymbole wie Autos und ein gepflegtes Äußeres. Trotzdem würde ich mir kein allgemeingültiges Urteil über den Durchschnittsiraner erlauben, denn meine wohlhabende Gastfamilie ist sicherlich nicht repräsentativ für den Durchschnitt. Wo ich mich jedoch festlege ist der Fakt, dass alle Iraner BMWs lieben. Ich weiß nicht genau warum dieser Hype entstanden ist, doch vermutlich ist die Hauptursache hierfür, dass BMWs für den Normalbürger eigentlich überhaupt nicht erhältlich sind (zumindest nicht neue Modelle). Mullahs und deren Söhne besitzen natürlich dieses Privileg europäische Qualitätsautomobile fahren zu können.
Warum will man das besonders gerne, was man nicht hat bzw. haben kann? Ich bin mir sicher, ihr kennt das Gefühl: In Lernphasen sehnt man sich nach Aktivitäten, auf die man aus Zeitmangel verzichten muss. Sobald man die Zeit hat, verwirft man die Vorhaben wieder ganz schnell. Der Typ, der mir die kalte Schulter zeigt, ist um ein vielfaches interessanter, als einer, der mir den Hof macht. Ich kaufe mir ein rotes T-Shirt im Laden und denke noch tagelang an die blaue Variante.
Iraner träumen eben von einem neuen, modernen und edlen BMW, weil dieser eine Rarität in den iranischen Straßen darstellt. Iraner schätzen keine alten Autos, auch nicht solche mit Charakter, wie unsere Oldtimer-Freunde aus Deutschland. Ich glaube nicht, dass es in Farsi einen Begriff wie "Oldtimer" gibt, denn nach unseren Maßstäben hat dort jedes zweite Auto diesen Status. Unter Gelächter meiner iranischen Freunde habe ich diesen grünen Mercedes an einer Teheraner Straßenecke entdeckt und fotografiert (ich habe ihn Norbert genannt). In Iran wird ein solches Auto missachtet und verschmäht, auch weil es einfach zu unkomfortabel ist. Ihr müsst eines wissen, Autofahren ist für iranische Menschen, besonders für die Jugend sehr wichtig. Das Auto hat aus folgenden Gründen eine große Bedeutung: In Taxis wird ohne Scheu über die Politik diskutiert und junge Leute nutzen die Gelegenheit um westliche Musik aufzudrehen, um zu cruisen und mit ihren Freunden abzuhängen. Sie kommunizieren offen, unbeobachtet und ohne Angst und sie verabreden sich zu Spritztouren wie wir auf einen Trink in die Bar. Ihr fragt euch warum? Das Regime lässt keine freie Bewegung im öffentlichen Raum zu. Es schien fast, als stiegen die Menschen in das Auto ein um zu entkommen, als stiegen sie in eine Zeitreisemaschine und landen in einem Auto an einem anderen Ort in einer anderen Zeit. Längst sind die Iraner in Ihrem Herzen im Jahre 2013 angekommen, doch das Regime hat noch aufholbedarf. Der teuerste Liter Benzin hat damals 11 Cent gekostet, insofern ist diese Methode preiswerter als ein Diskobesuch...mal abgesehen von dem stetig wachsenden Smog der 12-Millionen-Stadt.
Dieses grüne Auto erinnert mich an die Zeit in Teheran und die aberwitzige Vorliebe der Iraner für schnelle Autos. Ab und zu denke ich heute noch an Norbert, dieses grüne Schmuckstück und meine iranischen Freunde. Ich frage mich, ob ein BMW mich gedanklich so lange verfolgt hätte, würden in München nur Norberts herum fahren und hätte der BMW in Teheran gestanden?

 

 

 

 

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