Die rote Perücke
Habt Ihr schon mal versucht außerhalb der Karnevalszeit mit einer roten Perücke auf die Straße zu gehen? Nein, noch nie? Na dann, habt ihr was verpasst. Gemeinsam mit einer Freundin haben wir uns Pretty Woman-mäßig eine rote Perücke mit Pony aufgesetzt. Womöglich hätte ich den Spaß niemals mitgemacht, wenn ich in meiner Heimatstadt gewesen wäre und die Gefahr bestanden hätte an der ein oder anderen Straßenecke meinen ehemaligen Professor oder meine Oma zu treffen. Immerhin assoziiert man mit Perückenträgerinnen eine ganz spezielle Berufsgruppe.
Jedenfalls hat es sich gelohnt, allein dafür, dass ich mich mit dem Aufsetzen der Perücke wie ein anderer Mensch gefühlt habe und das war aufregend. Wenn man sich darauf einlassen und das Schamgefühl ablegen kann, ist das eine Erfahrung, bei der man sich selbst besser kennenlernt. Selbstverständlich wäre es leichter sich auf die Straßen vom schrillen Ibiza mit Perücke zu wagen als im spießigen Deutschland. Die Reaktionen der schweizer Passanten war natürlich nicht weniger bemerkenswert: starren, lachen, kichern und natürlich auch anstößige Kommentare, hauptsächlich von den männlichen Zeitgenossen. Uns war vollkommen klar, dass wir Männer provozieren uns hinterherzupfeifen. Doch mal ganz ehrlich Jungs: Was wollt ihr damit eigentlich bewirken? Ich kenne kein Mädel, das darauf abfährt. Auf der anderen Seite ist es nicht von der Hand zu weisen, dass es eine Art Kompliment darstellt, zwar primitiv, aber es bestätigt unser weibliches Ego. Wie dem auch sei, ich habe noch nie eine Kennenlern-Story gehört wie: "Damals hat dein Papi deiner Mami auf der Straße hinterhergepfiffen und jetzt bist du da Schatz." Ich habe mich bei dieser Aktion wiedermal köstlich über die Einfältigkeit mancher Männer amüsiert. Danke dafür!